Recht haben und Recht bekommen

Die Marketingleute der Hersteller sind gerne ihrer Zeit voraus. Neue Innovationen und Detailverbesserungen von Maschinen sind in den Köpfen der Verkäufer real existierend. In der Produktionswirklichkeit erweisen sich Versprechen schon mal als Fata Morgana. Eine neue Software macht aus RGB-Bildern Drucke in Fotoqualität, ein Online-Klebebinder spuckt Fotobücher in perfekter Haltbarkeit aus. Diese Versprechen können relativ leicht als Luftschlösser enttarnt werden, doch wie sieht es mit der Verfügbarkeit eines Drucksystem in Höhe von 85 % der Nennleistung aus? Sind da regelmäßig erforderliche Wartungsarbeiten enthalten? Nein, sind sie nicht. Muss eine bestimmte Papiersorte aus der Liste der getesteten Bedruckstoffe wirklich laufen? Nein, muss sie nicht. Muss ein erweiterter Farbraum beim Druck von Bildern wirklich einen Mehrwert darstellen? Nein, der Druck kann wirklich schräg ausschauen. Kann man ein Drucksystem einschalten, kalibrieren und in PSD-Qualität (fogra-Standard) losdrucken? Nein, geht nicht, weil die Betriebstemperatur und das Betriebsklima mitunter erst in zwei Stunden erreicht werden können. Kann man beim Großhändler eine Palette Papier bestellen und nach Anlieferung sofort verdrucken? Nein, geht nicht, da das Papier erst an das Raumklima angepasst sein will. Kann man Digitaldrucke aus Systemen mit Hitzefixierung problemlos Rückstichheften, Falzen oder Cellophanieren? Das kann funktionieren bei ungestrichenen Materialien, aber nicht bei Bilderdruckpapier und viel Farbauftrag. Die Druckbogen sind statisch aufgeladen und kleben zusammen wie Kletten. Es sind einige technische Tricks notwendig, damit die Druckbögen sicher vereinzelt werden können.

Im Digitaldruck liegen Erwartungen, Versprechen und die Produktionswirklichkeit mitunter sehr weit auseinander. Es kann schon mal vorkommen, dass ein Drucksystem für eine geplante Anwendung schlichtweg überfordert ist. Nach unserer Erfahrung hat jedes Drucksystem bestimmte Vorzüge aber auch Nachteile. Ein System, das alle Anforderungen erfüllt, existiert womöglich in den Marketingversprechen der Hersteller, nicht aber in der Alltagspraxis. Vorteile bedingen mitunter Nacheile. Das Schlimmste ist, wenn der Ansprechpartner eines Lieferanten die Anforderungen des Kunden nicht verstehen kann. Ein Lithograph spricht mit einem Marketingmenschen, ein Betriebswirtschaftler spricht mit einem Techniker. Ein Fotograf fordert Fotoqualität und ein Programmierer will diesen mit mathematischen Formel erreichen. Verschiedene Welten prallen aufeinander. Jeder bezichtigt seinen Gegenüber der Ahnungslosigkeit und jeder hat in gewisser Weise Recht.

Apropos Recht: Im Feld des Digitaldrucks klaffen Lücken zwischen technischen Spezifikationen und Kundenerwartungen. Die Ursachen, warum bestimme Ergebnisse nicht erreicht werden, können vielfältig sein. Oftmals spielen die Umgebungsbedingungen mit, Veränderungen im Bedruckstoff und gerne auch Softwareupgrades der Maschinenhersteller. Da kommt der menschliche Faktor dazu und aus Sicht der Hersteller lapidare Bedienfehler oder Fehler in den Kundendaten. In besonders krassen Fällen führen verfehlte Druckergebnisse zu Streitfällen, auf die Hersteller gut vorbereitet sind.

Besonders schwierig wird es, wenn sich die Druckerei in die typische Art des Maschinenerwerbs einlässt, die Leasing. Ein Händler verkauft einer Druckerei ein Digitaldrucksystem. Lieferant ist meist der Hersteller. Dieser verkauft es jedoch nicht der Druckerei, sondern einer Leasinggesellschaft. Die Leasing wird zur Eigentümerin der Maschine, die Druckerei erhält das Nutzungsrecht. Der Händler verkauft das System nur in Verbindung mit einem Wartungsvertrag, der nicht vom Händler erfüllt wird, sondern vom Hersteller. Komplettiert wird das Geflecht von einem Volumenvertrag. Die Druckerei erklärt, dass sie pro Monat eine bestimmte Mindestmenge drucken wird und erhält für diese Zusage einen besonders günstigen Verbrauchspreis.
Wenn es nun zum schlimmsten Fall kommt, und die Maschine die Erwartungen doch nicht erfüllen kann oder plötzlich nicht mehr erfüllt, wird es richtig schwierig. Die Leasingfirma bucht die monatlichen Raten ab, unabhängig davon, ob das System funktioniert oder nicht. Der Händler berechnet die monatlichen Raten für den Mindestverbrauch, unabhängig davon, ob die Mengen abgenommen werden konnten oder nicht. Im Streitfall laufen die Zahlungsverpflichtungen weiter, solange bis ein Gericht entschieden hat. Das dauert schon mal zwei Jahre oder länger. Die Hersteller und Händler sitzen am längeren Hebel und gehen in Berufung. Im Einzelfall kann eine gerichtliche Entscheidung bis zu vier Jahre dauern.
Wir als Online-Druckerei stecken immer in diesem Spannungsfeld. Natürlich haben wir uns bei Problemfällen gewehrt und werden das auch weiterhin tun. Wir haben bis jetzt einige Streitfälle gerichtlich geklärt und waren dabei ausgesprochen erfolgreich. Im jüngsten Fall wollte ein Händler von uns exakt 211.053,16 €. Das Gericht hat die Forderung als unbegründet erachtet und die Klage am 24.06.2014 abgewiesen. Trotz der mittlerweile relativ ausgereiften Drucksysteme erliegen möglicherweise Hersteller weiterhin der Versuchung, ihre vermeintliche juristische Macht auszunutzen. Diese liegt schon darin begründet, dass Streitfälle in Deutschland ewig dauern und eine Druckerei normalerweise nicht bis zur Gerichtsentscheidung warten kann. Wir gehen diesen Konflikten nicht aus dem Weg und nutzen unsere Erfahrung in diesem unrühmlichen Feld der Unternehmensführung. Wir wissen, dass sehr viele unserer Firmenkunden von ähnlichen Risiken betroffen sein können. Daher wollen wir mit diesem Blog Transparenz in das Themenfeld Digitaldruck bringen.

Author: onlinedruckbiz

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